Netzhautablösung – Ablatio Retinae – Tag 3

Lest bitte zuerst meine Vorbemerkungen zum Thema Netzhautablösung.

Mittwoch, 3. Tag in der LMU Augenklinik MĂŒnchen, 2. Tag nach der Operation einer Netzhautablösung.

Chefarztvisite

Die Nacht verlief ruhig. Beim Aufwachen waren die Schmerzen im linken Auge aber deutlich stĂ€rker als gestern. Ich bekam das Auge kaum auf. Das Auge war angeschwollen und eigentlich tat mir die ganze linke GesichtshĂ€lfte weh. Wir wurden erst relativ spĂ€t geweckt, so gegen 6:30 Uhr. Heute war ein ganz besonderer Tag, nĂ€mlich Chefarztvisite. Darum sollte ich mich gegen 7:40 Uhr, 20 Minuten vor acht, vor einem anderen Arztzimmer auf der gleichen Etage einfinden, also nicht dort, wo ich gestern morgen war. Die Augenklinik ist groß, es gibt viele GĂ€nge und viele Zimmer. Ich schlurfte also dahin und traf dort mit geschĂ€tzten 30 anderen Patienten zusammen. Na bravo, das konnte sich ja hinziehen. Wie ĂŒblich, versammelten wir uns wieder alle im Gang vor dem Arztzimmer auf StĂŒhlen. Allerdings reichte die Anzahl heute nicht aus, so dass zusĂ€tzliche StĂŒhle bereitgestellt wurden. Die Krankenschwestern waren extrem chaotisch organisiert, rannten mit Listen zwischen den Leuten herum, riefen Namen auf, schickten Patienten wieder in ihre Zimmer zurĂŒck, liefen zu verschiedenen Patientenzimmern, um wieder andere Patienten zu suchen und forderten die Patienten auf, immer paarweise ins Ärztezimmer zu gehen. HĂ€ndchenhalten war dabei kein Muss. 😉 Sie riefen dann gleich mehrere Leute auf und forderten sie auf, sich die Namen der Patienten vor ihnen zu merken, damit sie wĂŒssten, wann sie an der Reihe waren. Ich saß auf meinem Stuhl mit geschlossenen Augen, da mir das Auge weh tat, und beobachtete das Chaos mehr mit den Ohren als mit den Augen. Wollte ich mir die Reihenfolge von vier, fĂŒnf Namen merken, um mich an der richtigen Stelle ins Arztzimmer zu begeben? Nein, das wollte ich ganz bestimmt nicht. Die Situation war irgendwie skurril: wir saßen da alle herum wie die LĂ€mmer, die sich freiwillig in einer vorgeschriebenen Reihenfolge zum SchĂ€fer begeben sollten … zum Schlachten? Irgendwann war ich dann dran!

Die Chefarztvisite gestaltete sich folgendermaßen:
Ich wurde in das Zimmer hineingerufen, fand mich dort aber mit mehreren anderen Patienten wieder. Eine Krankenschwester forderte mich auf, zunĂ€chst an der Wand des Zimmers gegenĂŒber des Untersuchungsstuhls (mit anderen Patienten) zu warten. Von dort sah ich auf zwei UntersuchungsstĂŒhle, auf denen Patienten saßen. Davor, mit dem RĂŒcken zu mir, saß ein Arzt auf einem normalem Stuhl, schaute sich wohl kurz die Augen des jeweiligen Patienten an, um dann sofort mit seinem Stuhl zu dem zweiten Untersuchungsstuhl hinĂŒberzurollen. Das war echte Akkordarbeit! Lange musste ich daher nicht warten. Ich setzte mich auf den Stuhl, der Chefarzt rutschte rĂŒber und sagte irgendetwas wie: „Guten Tag.“ Ich antwortete mit einem: „Guten Morgen. Vorsicht! Das Auge tut weh.“ Das wurde mit einem „Verstehe. Gucken Sie mal nach oben.“ quittiert. Er blickte mir mit der Spaltlampe (denke ich mal, aber es war mir eigentlich auch egal) ins Auge. Dann kam ein kurzes: „Fein. Das war’s schon.“ Die ganze Untersuchung hat vielleicht 15 Sekunden gedauert. Und schon rutschte er zum nĂ€chsten Patienten. Ich durfte das Zimmer verlassen und in mein eigenes Zimmer zurĂŒckgehen. Das nenn ich mal eine Chefarztvisite! So ging es nicht nur mir, sondern allen Patienten. Arme Patienten, armer Chefarzt.

Entlassung aus der LMU Augenklinik

Am Vormittag kam wieder die Dame vom Catering und besprach mit uns die Mahlzeiten. Sie war ĂŒberrascht, dass ich noch nicht wusste, wann ich aus der Augenklinik entlassen werden sollte. Ich dachte an mein zugeschwollenes Auge. Nach Hause? Ihr spinnt wohl! Vorsichtshalber hat sie fĂŒr den morgigen Tag Mahlzeiten fĂŒr mich eingeplant, obwohl sie nicht davon ausging, dass ich dann noch da wĂ€re. So blieb es erst einmal nur bei einer FrĂŒhstĂŒcksbestellung. Also heute Abend noch mal Abendessen und morgen dann FrĂŒhstĂŒck.

Um 11:15 Uhr ging die ZimmertĂŒr plötzlich auf und eine Dame wollte mein Bett abrĂ€umen. Sie meinte, ich sei doch schon entlassen worden und sie mĂŒsse das Bett fĂŒr den nĂ€chsten Patienten vorbereiten. Ich lag auf dem Bett, schielte sie mit halb geschlossenen schmerzenden Augen an und entgegnete: „Das ist mir nicht bekannt.“ Daraufhin drehte sie sich um und lief aus dem Zimmer. Die TĂŒr ließ sie auf und es zog kalt herein. Als sie nach mehreren Minuten nicht zurĂŒckkam, stand ich auf und schloss die TĂŒr wieder.

Etwa 10 weitere Minuten spĂ€ter kam eine andere Krankenschwester ins Zimmer und sagte: „Ja, Her Sevke, es ist entschieden. Sie werden heute entlassen. Sie gehen heute nach Hause.“ Darauf antwortete ich, dass ich die Klinik nicht verlassen wĂŒrde, ohne dass sich ein Arzt das Auge noch einmal genau angesehen hat. Sie bestĂ€tigte meinen Wunsch: „Ja, das ist bei uns so. Kein Patient verlĂ€sst die Klinik, ohne dass ihn noch einmal ein Arzt gesehen hat. Gehen Sie bitte zum Zimmer 150 und dann werden sie dort entlassen.“ Daraufhin entschwand sie wieder meinem Blicke. Ich wusste nicht so genau, was nun von mir erwartet wurde. Also wartete ich noch eine Weile ab. Dabei packte ich meine Sachen zusammen. Anschließend bin ich zum StationsstĂŒtzpunkt gegangen. Dort wurde mir von einer Krankenschwester die Patientenakte in die Hand gedrĂŒckt. Ich wurde aufgefordert, mich damit zum Zimmer 150 zu begeben. Dort erwartete mich ein sehr junger Arzt mit anscheinend indischer Herkunft. Er sprach praktisch kein Wort, aber das war ich ja schon gewohnt. ZunĂ€chst dachte ich deswegen, er könnte kein Deutsch sprechen. Es zeigte sich dann aber, dass er doch sehr gut deutsch sprach, wenn auch mit Akzent. (Auf der Website der LMU Augenklinik konnte ich spĂ€ter nachlesen, dass es sich bei ihm um einen Stipendiaten handelte.) Er hat mein Auge dann tatsĂ€chlich noch einmal genau untersucht. Dazu gehörte auch ein kurzer Visus-Sehtest. Über die zweite Tafel mit drei Zahlen bin ich nicht hinausgekommen. Keine Ahnung, wieviel Prozent Sehleistung dies entsprach. Der Arzt erledigte noch jede Menge Schreibkram. Ich schaute ihm mit halb geschlossenen Augen zu. Anschließend stellte ich einfach frech noch ein paar Fragen

  • Muss ich noch lĂ€nger nur auf der linken Seite liegen? Nein. Aber es wĂ€re gut, wenn ich trotzdem fĂŒr einige Tage bevorzugt auf der linken Seite lĂ€ge.
  • Darf ich wieder lesen? Ja, aber nicht ĂŒbertreiben.
  • Wie sieht es mit der Arbeit am Computer aus? Ist okay, aber nicht ĂŒberanstrengen.
  • Wie lange muss ich die starken Schmerzen ertragen?
  • Darf ich mich körperlich anstrengen?

Mir wurde 1 Kombipackung Dexa-Gentamicin (Tropfen und Salbe) verschrieben, die ich regelmĂ€ĂŸig nehmen sollte, die Tropfen tagsĂŒber 6mal, die Salbe dann erst kurz vor dem Schlafengehen. Außerdem wurde ich bis zum 14. November arbeitsunfĂ€hig geschrieben, also 1 Woche.

NĂ€chste Woche sollte ich mich bei meinem Augenarzt melden und in 4 bis 6 Wochen sollte ich zu einer Nachuntersuchung in die LMU Augenklinik MĂŒnchen kommen, könnte dies aber auch bei meinem Augenarzt erledigen. Der Arzt trug mir auf, anschließend zum StationsstĂŒtzpunkt zu gehen.

Mit Entlassungsschreiben und Rezept bin ich zurĂŒck in mein Zimmer gegangen, wo bereits ein neuer Patient auf meinen endgĂŒltigen Auszug wartete. Also nahm ich meine Sachen, verabschiedete mich von meinen Zimmergenossen und ging dann zum StationsstĂŒtzpunkt. Dort wurde festgestellt, dass das Rezept nicht vom Arzt unterschrieben worden war. Die Krankenschwester wies mich darauf hin, dass die Ärzte momentan alle beim Mittagessen wĂ€ren, ich es spĂ€ter einfach wieder versuchen sollte.

Auf Abholung warten

FĂŒr mich bedeutete das kein großes Problem, da ich vor 18:00 Uhr sowieso nicht abgeholt werden wĂŒrde. Meine Frau ist ja selber den ganzen Tag im BĂŒro. Dem öffentliche Nahverkehr wollte ich mich mit meinen Schmerzen und meinem zugekniffenen Auge nicht anvertrauen. Bis zu uns ins MĂŒnchener Outback kommt man sowieso nicht so einfach. Das werde ich jetzt tunlichst unterlassen.

Also bin ich mit meinen Sachen in den Aufenthaltsraum gegangen und höre wieder meine Perry-Rhodan Hörspiele mit geschlossenen Augen. So sind die Schmerzen im Auge am besten zu ertragen. Die Sehleistung des linken Auges ist extrem schlecht. Allerdings konnte ich den schwarzen Fleck oder Vorhang nicht mehr entdecken, so dass eine Netzhautablösung wohl vorerst gebannt ist. Jetzt muss ich die nĂ€chsten Tage abwarten, weil ich mit den Schmerzen im linken Auge sowieso nicht handlungsfĂ€hig bin. Ich bin froh, wenn ich die Augen zu habe und gar nichts tun muss. Wie es dann nĂ€chste Woche sein wird, wenn ich wieder arbeiten muss, weiß ich natĂŒrlich nicht. Ich befĂŒrchte, dass ich noch nicht wieder ausreichend gut lesen kann, aber das muss ich nun erst einmal abwarten.

Ich wartete also in diesem kleinen Aufenthaltsraum, der sich direkt vor meinem ehemaligen Patientenzimmer befand, darauf, dass Andrea mich von der Klinik abholte. Von den Krankenschwestern wurde mein Auge nicht mehr versorgt. Es gab fĂŒr mich natĂŒrlich auch keine Mahlzeiten mehr. Immerhin stand Mineralwasser bereit, so dass ich zwischendurch trinken konnte. WĂ€hrend des Nachmittags kamen immer mal wieder Patienten mit Besuchern in das Zimmer und unterhielten sich miteinander. Ich aber hatte ja mein Hörspiel ĂŒber Kopfhörer am Ohr und bekam von den GesprĂ€chen nicht viel mit.

Gegen 17:00 Uhr kam eine der der Damen, die das Abendessen verteilten, zu mir in den Raum und meinte: „Oh, solange mĂŒssen Sie warten. Brauchen Sie etwas? Brauchen Sie Tropfen? Haben Sie was zu essen?“ Daraufhin antwortete ich: „Nein, ich bin ja schon mittags entlassen worden. Ich warte darauf, dass ich abgeholt werde.“ Sie wieder: „Möchten Sie dann was essen? Kann ich Ihnen was bringen?“ und „Warten Sie, ich schau mal, was wir da haben.“ Sie drehte sich um, wollte das Zimmer verlassen, drehte sich dann erneut zu mir um und fragte: „Wie ist Ihr Name?“ Ich antwortete: „Sevke, Sven.“ Sie lief in den Gang hinaus und rief: „Haben wir etwas fĂŒr Herrn Sevke?“ NatĂŒrlich sagte sie „SĂ€ffke“ wie jeder hier. Jeder spricht meinen Namen „SĂ€ffke“ aus und nicht „Seefke“, wie es richtig wĂ€re. NatĂŒrlich hatten Sie etwas fĂŒr Herrn Sevke, da ja die Bestellung am Vormittag das Abendessen berĂŒcksichtigt hatte. Das wĂ€re ein Salatsteller gewesen mit einer Breze und einem Joghurt. Die Bestellung war ja aufgegeben worden und insofern musste sie die Mahlzeit haben. Was damit geschieht wenn ein Patient dann doch nicht mehr im Patientenzimmer ist, weiß ich nicht. Ob das die Angestellten selber essen oder ob das Essen einfach vernichtet wird, kann ich nicht sagen. Auf jeden Fall brachte sie mir nach einer Minute das Tablett mit meiner bestellten Mahlzeit und sagte: „So, hier haben Sie. Guten Appetit.“ DarĂŒber habe ich mich sehr gefreut. Erstens fĂŒhlte ich mich vom Krankenhauspersonal endlich auch mal als Mensch angesehen, und zum anderen hatte ich natĂŒrlich schon Hunger. Also stĂŒrzte ich mich auf den Salat und auf die Breze und war wieder zufrieden.

Andrea rief mich kurz nach 17:00 Uhr an und teilte mir, dass sie mit erheblichen Schwierigkeiten im Straßenverkehr zu kĂ€mpfen habe und dass sie wahrscheinlich lĂ€nger brauchen wĂŒrde als vorgesehen, ich mich also dementsprechend noch etwas lĂ€nger gedulden mĂŒsse. Erst deutlich nach 18:00 Uhr könne sie da sein. Also harrte ich weiter aus und wartete darauf, abgeholt zu werden. Irgendwann nach 18:00 Uhr packte ich dann meine Sachen zusammen und ging in das Erdgeschoss zur EingangstĂŒr und wartete nun dort. Eine ganze Menge von jungen Studenten und Leuten, die wie Professoren aussahen (wie sehen Professoren aus? Naja, jedenfalls nicht mehr wie 20-JĂ€hrige.), also Leute mit akademischen Touch, möchte ich mal sagen. Wenn ihr die Leute seht, wisst ihr, was ich meine. Sie kamen in die Klinik und suchten offensichtlich immer wieder den gleichen Raum, nĂ€mlich einen Hörsaal, der sich irgendwo am Ende des GebĂ€udes befand. Offensichtlich gab es eine grĂ¶ĂŸere Veranstaltung, denn einige der Leute hatten sogar Blumen dabei. Alle liefen an mir vorbei, weil ich an der EingangstĂŒr stand. Das wiederum rief mir in Erinnerung, dass es sich hier ja nicht um ein abgeschiedenes ruhiges Sanatorium handelte, sondern um eine UniversitĂ€tsklinik, wo es letztendlich drunter und drĂŒber ging. Immer wenn ein Gast sehr verloren aussah, sprach ich ihn an und wies den Weg, so gut ich es eben wusste.

Heimfahrt

Ja, irgendwann kam dann auch Andrea und holte mich ab. Jetzt hatte ich das Problem, dass ich den ganzen Tag lang keine Medikamente gegen die EntzĂŒndung in mein Auge bekommen hatte. Ich hatte gehofft, dass ich die Klinik noch zu einer Uhrzeit verlassen konnte, zu der die Apotheken geöffnet waren. Um diese Uhrzeit wurde das natĂŒrlich schwierig. Wir haben auf dem Heimweg quer durch MĂŒnchen Ausschau nach Apotheken gehalten. Davon gab es viele, nur war es schwierig, im fließenden Verkehr zu erkennen, ob eine noch auf hatte. Bei einer haben wir angehalten. Die hatte aber leider schon geschlossen. Bei einer anderen konnten wir aus dem Auto erkennen, dass die TĂŒr gerade abgeschlossen wurde. Wir haben dann entschieden, die Medikamentenbeschaffung auf den nĂ€chsten Tag zu verschieben. Im Auto haben wir uns natĂŒrlich unterhalten, aber ansonsten war ich wegen der Schmerzen eher passiv.

Ich bin relativ frĂŒh ins Bett gegangen, zwischen 20:00 Uhr und 21:00 Uhr, und bin dann wohl auch recht schnell eingeschlafen.


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